Geschichte des Gedenkortes
Gedicht von Sieglinde Helmsdorf gehalten auf der Befreiungsfeier 2012
Ort des Geschehens
Sieglinde Helmsdorf Chemnitz, 15. 11.2011
Wir haben uns hier an einen Ort des realen Geschehens zusammen gefunden
es ist ein Ort der Geschichte unserer Geschichte
es ist auch ein Ort des Lernens des Nachdenkens ein Symbol der Erinnerung
grauenvolle Verbrechen an unschuldige Frauen, Mädchen und Kinder
diese Verbrechen die hier begangen wurden kann man nicht mit einen Handstreich weg wischen
hier hat sich etwas zugetragen was man nicht in Worte fassen kann
und doch muss man darüber reden um Lehren daraus zu ziehen
denn es sind Spuren der Vergangenheit unserer Vergangenheit
wenn wir nicht daran erinnern werden diese Spuren bald vergessen sein
zurück bleibt eine trostlose, schweigende und einsame Landschaft
eine Landschaft die zur Vegetation zurück findet und damit das hier erlittene Leid zu decken wird
Ruhe und Frieden wird von diesem Ort ausgehen Frieden den wir uns alle wünschen
Ruhe nach der wir uns alle sehnen das sind Wünsche unserer Überlebenden
aber auch ihrer Nachkommen sie alle haben aber auch den Wunsch
dass dieser geschichtsträchtige Ort nicht in Vergessenheit gerät
sondern wie es unsere Nachfolgegeneration anstrebt und darum kämpft das dieser Ort
ein Ort des offenen Gedenken ohne staatliche Zwänge für ein Treffen
des sich Findens und miteinander reden können über die Vergangenheit mit all seinen Folgen
der heimtückischen Machenschaften der Rassenideologie, Verschleppung,
Zwangsarbeit, Euthanasie und über den millionenfachen Mord
über die Befreiung und seine Nachwehen mit Ausgrenzung und Diskriminierung
die sich im „heute“ erneut breit macht
gemeinsam in zwanglosen Gesprächen Lösungen finden
die unsere Zukunft gewaltfrei, menschlicher und lebenswert macht in der man Brücken baut
über Gräben und Flüsse um ungehindert das andere Ufer zu erreichen mit ihren Menschen
gleich welcher Nation sie angehören, welche Hautfarbe sie haben, welche Sprache sie sprechen
oder unter welchen seelischen und körperlichen Gebrechen sie leiden
wichtig ist das wir uns die Hände reichen miteinander im Gespräch sind
Freude und Leid miteinander teilen wir für einander da sind
Solidarität üben und einander Wärme geben – menschliche Wärme
Nach 1945
Zur Topografie des Konzentrationslagers gibt es keine Dokumente oder Fotos aus der NS-Zeit.
Nach der Befreiung des Lagers im April 1945 wurden die Baracken wegen einer Typhusepidemie niedergebrannt und das Lager wurde ab dem Zeitpunkt nicht mehr genutzt.
Im Jahr 1952 wurden Gräber, die sich hinter den Siemensbaracken am KZ Uckermark befanden, im Auftrag des Innenministeriums Brandenburg umgebettet und an der Lagermauer (heute Rosenbeet) beigesetzt.
1959 wurde die Nationale Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück eröffnet.
Eine Integration in die Nationale Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück wurde 1963 von der zuständigen Behörde abgelehnt. Das Gelände verfiel zunehmend, bis es ab den 1970er Jahren durch das sowjetische Militär genutzt und neu bebaut wurde. 1993/94 zogen die GUS Truppen ab. Vom ehemaligen KZ war kaum noch etwas zu sehen.
1993 nach der sogenannten Wiedervereinigung wurde die Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück eröffnet. Der Gedenkort KZ Uckermark war damals wie heute nicht Teil der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, auch wurde er bei der Gründung der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten nicht mit in die Stiftung aufgenommen und kommt bis heute nicht in ihrer Zielplanung vor.
Gedenkort
Erst 1995 schafften Überlebende, ihre Familien und Freund*- innen das Gelände wieder in die öffentliche Diskussion zu bringen. Die Lagergemeinschaft Ravensbrück/ Freundeskreis e.V. errichtete zum Gedenken an die Häftlinge des Jugendkonzentrationslagers und späteren Vernichtungsortes am 50. Jahrestag der Befreiung eine Tafel mit der Aufschrift: Ihr seid nicht vergessen.
Das Gelände war bis zu diesem Zeitpunkt ein verlassener Ort, er war mit Müll übersät, durch die Panzerhallen der Roten Armee (GUS – Truppen) vollkommen überbaut und mit Zäunen umringt. Nur dieses kleine Schild wies auf das ehemalige KZ hin.
Besitzerin des Geländes war zu der Zeit der Bund, namentlich die Bundesanstalt für Immobilienangelegenheiten (BIMA).
Im Sommer des Jahres 1996 bei einem Besuch in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück (MGR) wurden Frauen* aus der Lagergemeinschaft Ravensbrück/ Freundeskreis e.V. (LGRF) von einer Mitarbeiterin der Mahn-und Gedenkstätte Ravensbrück (MGR) gefragt, ob es Interesse gäbe, ein Baucamp auf dem Gelände des ehemaligen Jugendkonzentrationslagers und späteren Vernichtungsorts Uckermark durchzuführen.
1997 fanden daraufhin erste Ausgrabungen während eines Baucamps auf dem ehemaligen KZ Gelände statt und es konnten einige Fundamente des Jugend-KZs freigelegt werden. Im selben Jahr wurde ein landschaftsplanerischer Wettbewerb für die Gestaltung des Gesamtgeländes von der Stadt Fürstenberg und der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück ausgeschrieben. Den 1. Preis machte ein Entwurf, der als Gedenkform für das ehemaligen Jugendkonzentrationslager in ein blaues Blumenfeld vorschlägt. Für den späteren Vernichtungsort waren Ausgrabungen zur historischen Forschung vorgesehen. Die Umsetzung dieses Entwurfes sowie die weitere Erforschung des Geländes wurden aus finanziellen Gründen und wegen ungeklärtem Besitzverhältnissen nicht durchgeführt.
2001 wurden zum 2. Mal Ausgrabungen während eines Baucamps durchgeführt. Diese Ausgrabungen verhinderten, dass eine in Planung vorhandene Ortsumgehungsstrasse über das Gelände geführt wurde.
Ab 2001 fanden jährlich auf dem Gedenkort Bau-und Begegnungscamps statt. Diese Baucamps trugen verschiedene Namen und wurden als FrauenLesben und nach vielen Diskussionen und Auseinandersetzungen als FrauenLesbenTransgender durchgeführt. Zum heutigen Zeitpunkt werden sie als feministisch-antifaschistische Baucamps ausgeschrieben.
2005 gab es die erste Gedenkfeier zum Jahrestag der Befreiung.
2008 startete das Netzwerk die Kampagne „100X100“, um Gelder für einen Gedenkstein zu sammeln. 2009 wurde der Gedenkstein aufgestellt. Dieser Gedenkstein wurde von einer Künstler_in/Schmied_in des Netzwerkes gestaltet und im Rahmen der Gedenkfeier eingeweiht . Mit dem Gedenkstein ist einer der größten Wünsche von Überlebenden in Erfüllung gegangen.
2012 fand nach einem langen und zähen Kampf vieler Menschen, Initiativen und der Mahn-und Gedenkstätte Ravensbrück der Rückbau der militärischen Überbauten (Konversion) statt und das Gelände wurde in diesem Zuge vom Land Brandenburg übernommen.
Die Zugänglichkeit des Ortes wurde durch diesen Schritt erhöht.
Seit 2020 ist auf dem Gedenkort eine neue Ausstellung in deutscher und englischer Sprache zu sehen.
Diese genannten Aktivitäten werden nicht von staatlicher Seite geplant, und durchgeführt sondern von einem Netzwerk/Initiative für einen Gedenkort KZ Uckermark. Die Initiative arbeitet eng mit der Lagergemeinschaft Ravensbrück/Freundeskreis zusammen. Die Zusammenarbeit mit der Mahn-und Gedenkstätte Ravensbrück erfolgt zu verschiedenen Anlässen und ist nicht immer konfliktfrei.
Dieses Netzwerk ist 2001 aus den jährlichen Bau- und Begegnungscamps entstanden. In ihm haben sich Feminist_innen und Antifaschist_innen aus verschiedenen Städten organisiert.